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Oberbürgermeister Georg Dietrich

Im Februar 1957 wird Offenbachs Oberbürgermeister Dr. Klüber in Ludwigshafen zum neuen OB gewählt. Schon vor seiner Wahl schwirrten Gerüchte durch Offenbach. Nachfolge-Kandidaten werden genannt: Albert Gasch, Heiner Galm, Ludwig Pfeifer, Olaf Radke und andere. Alles Spekulationen! Gewählt wird am 8. Mai 1957 Georg Dietrich.

Wie kam der in Berlin geborene und in Sachsen aufgewachsene Jurist  nach Offenbach?

Der „gefühlte Sachse“ entstammte einer Familie von Beamten und Kaufleuten. In Leipzig hat er die Oberrealschule besucht und sein Abitur  abgelegt. Die Messestadt bezeichnete er als seine eigentliche Heimat. Das Jurastudium absolvierte er in Leipzig und Jena. Nach dem Referendariat erwarb die nötigen Praxiskenntnisse bei Anwälten, Gerichten, Verwaltungen und Staatsanwaltschaften.

Georg Dietrich entstammte  wie seine Frau einer sozialdemokratischen Familie.1936 aus politischen Gründen aus dem Staatsdienst entlassen, arbeitete er für  die Allianz- Versicherung in Magdeburg als Schadenssachbearbeiter, bald als Leiter der Rechtsabteilung.       Im zweiten Kriegsjahr heiratete er seine Frau Ilse. Bald darauf wurde Georg Dietrich zur Wehrmacht eingezogen. Als „Stabsgefreiter“ bei der Nachrichtentruppe erlebte er das Kriegsende in russischer Gefangenschaft.  Eine risikoreiche Flucht führte ihn 1945 in die Heimat.

Magdeburg ernannte den  Sozialdemokraten im Mai 1945 zum Justiziar der Stadtverwaltung  und bald darauf zum Stadtrechtsrat und Stadtkämmerer. Als Mitbegründer des SPD-Ortsvereins erlebte er mancherlei Konflikte mit den lokalen Kommunisten und der sowjetischen Militärmacht. Vor einer Verhaftung gewarnt, flüchtete er über die damals noch offene Grenze  noch eben rechtzeitig in die Bundesrepublik. In Abwesenheit verurteilte ihn die SED-Justiz. Haus und Vermögen wurden beschlagnahmt. Ein kleines  Köfferchen enthielt die ganze Habe. In Berlin traf er seine Familie wieder.

Die Zeit danach muss bitter gewesen sein. Im niedersächsischen Peine fand die Familie mit den beiden Töchtern eine Notunterkunft. Streckenweise lebte die Familie mit einer Fürsorgeunterstützung von wöchentlich 27 Mark. Als Ilse Dietrich von der Stellenaus-schreibung der Stadt Offenbach hörte, wo ein Leiter für das neue Rechtsamt gesucht wurde, musste das als ein Wink des Schicksals empfunden werden. Georg Dietrich bewarb sich

kurz vor Ende der Ausschreibungsfrist. Er stellte sich vor und erhielt den Zuschlag. So kam die Familie Dietrich 1951 nach Offenbach.

Die Arbeit im neuen Amt hat Dietrich mit Erfolg gemeistert. Nach nur fünf Jahren in der Stadt kam sein Name ins Spiel für das Amt des Oberbürgermeisters.  Dr. Klüber  war zur Überraschung vieler Offenbacher in Ludwigshafen zum OB gewählt worden und verließ die Stadt. Ein Nachfolger musste gefunden werden.

Wie üblich gerieten viele Namen ins Stadtgeflüster. Nachfolgekandidaten für Klüber wurden genannt: Bürgermeister Karl Appelmann, Vorsitzender der örtlichen SPD, Stadtrat Albert Gasch, Stadtwerkedezernent, Heiner Galm, Stadtrat, Ludwig Pfeifer, Vorsitzender im SPD-Unterbezirk Offenbach-Dieburg, Olaf Radke, Landtagsabgeordneter oder der in Offenbach sehr beliebte Oberregierungsrat Ferdi Winkel. Alle Gerüchte fußten auf Spekulationen. Im März 1957 stellte die Offenbacher SPD schließlich ihren Kandidaten vor: Georg Dietrich. Die SPD sah in Dietrich nicht nur den qualifizierten Juristen und Verwaltungsfachmann sondern auch den finanzpolitischen Experten.

 In der Wahl stimmten 52 von 57 anwesenden Stadtverordneten für den 47jährigen Georg Dietrich. Es gab nur 4 Gegenstimmen und eine Enthaltung. Vor der eigentlichen Wahlhandlung hatten sich die Fraktionssprecher der Union und des Offenbach-Blocks für Dietrich, den „Mann des Ausgleichs“ ausgesprochen. So kam die überzeugende Entscheidung zustande. Der neue OB zeigte sich glücklich über seine Wahl und versprach, sich für die Sanierung der Altstadt, den Wohnungs- und Schulbau einzusetzen. Und wenn es nicht solche Finanzsorgen gäbe, wünsche er sich vor allem Grünanlagen für Offenbach, den Ausbau des Krankenhauses und auch ein neues Rathaus. Es sollte überein Jahrzehnt dauern bis der berechtigte Wunsch nach einer richtigen  Verwaltungszentrale in Angriff genommen werden konnte.

 Für die Förderung des Wohnungsbaus setzte sich Dietrich sehr erfolgreich ein. Dabei half ihm,

dass er die Stadt in Gremien der Baugesellschaften zu vertreten hatte. Als Vorsitzender des Verwaltungsrates der Sparkasse Offenbach förderte er Kredite für den Wohnungsbau. Als Aufsichtsratsvorsitzender der Gemeinnützigen Baugesellschaft Offenbach (GBO) und der Bau- und Boden GmbH setzte er den Bau von über 3000 Sozialwohnungen  durch. Die eigenen Erfahrungen mit einer drangvollen Enge in einer Notunterkunft hatten in ihm

wohl ein starkes Gefühl für die Lage der Flüchtlingsfamilien wachsen lassen. Trotz all seiner

gesellschaftlichen und administrativen Verpflichtungen hat Dietrich sich ein großes Verständnis für Sorgen und Nöte der kleinen Leute bewahrt.

Seine Hilfsbereitschaft verschaffte ihm großes Ansehen bei den Bürgern. Den Menschen zu dienen, das sah er als eine Aufgabe. Die erfüllte er mit preußischem Selbstbewusstsein. So wurde er geschätzt in allen Kreisen der Bürgerschaft. Auch der Wirtschaft.

Mit großer Freude widmete er sich den internationalen Verbindungen der Stadt. Aus  der Verschwisterung mit der französischen Stadt Puteaux entstand ein Partnerschaftsring europäischer Städte. Aus den vielfältigen Begegnungen junger und älterer Menschen aus den verschiedenen Partnerstädten  wuchsen gute Freundschaften zwischen Familien. Damit wurde das nachbarschaftliche europäische Bewusstsein gefördert und Gräben des Zweiten Weltkriegs zugeschüttet. Seine Bemühungen um die Städtefreundschaften brachten Dietrich Ehrungen aus Italien, Frankreich und Österreich ein. Die Republik Österreich verlieh Dietrich das große silberne Ehrenzeichen, Israel bedachte ihn mit der Waitzmann-Medaille in Gold.

1970 wählte ihn die Deutsche Sektion des Rates der Gemeinden Europas zum Präsidenten.

Auch zu Haus erfuhr Georg Dietrich zahlreiche Ehrungen. Das Deutsche Ledermuseum ernannte ihn zum Ehrensenator. Zum 60. Geburtstag wurde ihm die hessische Freiherr-vom-Stein-Plakette verliehen. Der Bundespräsident zeichnete ihn mit dem Großen Verdienstkreuz aus. Die Stadt Offenbach würdigte seine Verdienste mit der Ehrenbürgerwürde.

Georg Dietrich starb am 1. November 1998 im Alter von 89 Jahren.

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